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Wie ein Junge aus Hagen die Welt zum Tanzen brachte - Im Gastgespräch mit Mousse T.

von JIL WRIEDEN am 12.12.2025

Als Mustafa Gündogdu - besser bekannt als Mousse T. - an diesem Nachmittag den Raum betritt, entsteht sofort eine besondere Atmosphäre. Er bringt keine Star-Allüren mit, sondern eine entspannte Wärme. Man spürt sofort: Hier steht jemand, der viel erlebt hat und dennoch geblieben ist, wer er ist. Ein Mann, der seine Wurzeln kennt. Geboren in Hagen, geprägt vom türkischen Elternhaus, zuhause in Hannover - einer Stadt, die ihn musikalisch und persönlich geformt hat.

GG Mousse T

Er beginnt von früher zu erzählen. Davon, wie sein Weg eigentlich in die Medizin führen sollte, weil der Vater Mediziner war und Erwartungen mitschwingen. Doch die Musik drängt sich mehr und mehr in den Vordergrund. Mit 14 Jahren sitzt er an der Orgel, erst allein, später in Bands. In den 80ern trägt er lange Haare, schleppt sein Keyboard überall mit hin, hört Rock, probiert sich aus. „Learning by Burning“, sagt er und lacht. Fehler sieht er als Teil des Lernprozesses, Begegnungen hingegen als Auslöser neuer Ideen. Ein Semester Wirtschaft in Braunschweig folgt, aber längst ist klar, dass es ihn woanders hinzieht.

Sein Einstieg in die Musikszene ist kein schneller Durchbruch. Es ist ein langsames Wachsen. Kleine Clubs, lange Nächte, neue Kontakte, viel Offenheit. Open Format auflegen, alles spielen dürfen, alles spielen wollen und dabei Stück für Stück ein Gefühl dafür entwickeln, wie Musik Menschen bewegt. Seine Berufe, Produzent, DJ, Unternehmer, Manager, sieht er nicht getrennt, sondern als ein Geflecht, das sich gegenseitig trägt.

Dann kommen die Geschichten, die heute fast surreal wirken. Die Zusammenarbeit mit Tom Jones, ausgerechnet mit dem Sänger, von dem er eigentlich kein Fan war, und plötzlich entsteht „Sex Bomb“ – in zwei Tagen. Sein Song „Horny“, der von Rick Rubin für den South-Park-Film ausgewählt wird und weltweit explodiert. Die Grammy-Nominierung, als erster Europäer seiner Kategorie. Das Lob des Bürgermeisters, das endlich erklärt, was er eigentlich beruflich macht. Und die Einladung von Michael Jackson, die er absagt, weil er gerade im Studio festhängt – eine Anekdote, die gleichzeitig absurd und typisch für ihn ist.

Ein großer Teil seiner Geschichte spielt in Hannover. In den 90ern entsteht dort das Peppermint Pavilion, ein kreativer Hotspot, später sein Studio. Die Stadt bittet das Team nach der Expo 2000 zu bleiben – „weil wir euch auf eine positive Art laut finden“. Von dort aus zieht er los zu seinen internationalen Gigs, von Luzern bis ins Ministry of Sound. Und obwohl er weltweit auf großen Bühnen stand, liebt er bis heute kleine Clubs, weil dort die Energie unmittelbarer ist, die Menschen näher, die Reaktionen ehrlicher.

Zwischen seinen Geschichten reflektiert er immer wieder die Musikbranche. Er erzählt, wie er die Digitalisierung zunächst unterschätzt hat, obwohl er mit Vinyl riesige Stückzahlen verkauft hatte. Heute erleichtert sie ihm viel, doch seine Liebe zu analogem Sound bleibt. Gleichzeitig sieht er Veränderungen: Musik ist zugänglicher, Werkzeuge sind leichter verfügbar, aber echte Eigenständigkeit ist seltener geworden. Viele orientieren sich zu stark an Vorlagen, zu wenig an Ideen. Und trotzdem glaubt er daran, dass gute Musik immer ihren Platz findet – wenn sie ehrlich ist.

Auch sein Alltag ist eng mit Musik verbunden. Es gibt keine feste Routine, außer dem morgendlichen Espresso. Alles andere bleibt flexibel. In den letzten Jahren hat er so viel aufgelegt wie lange nicht und will weiter machen, solange es körperlich geht. Die Art und Weise, wie er arbeitet, hat sich über die Zeit verändert. Wo „Sex Bomb“ in zwei Tagen entstand, brauchen aktuelle Projekte manchmal Jahre. Nicht aus Unsicherheit, sondern aus gereiftem Anspruch. Erfahrung macht präziser – aber auch geduldiger.

Gegen Ende des Gesprächs fällt ein Satz, der den Nachmittag wie ein Brennglas zusammenfasst. Er sagt: „Wenn ihr eine Vision habt – macht es sofort. Naivität ist geil.“

Der Satz wirkt nach. Vielleicht, weil er überraschend ehrlich ist. Vielleicht, weil er genau im richtigen Moment fällt. Vielleicht, weil er aus dem Mund eines Menschen kommt, der die großen Bühnen kennt und trotzdem weiß, wie wichtig es ist, einfach anzufangen.

Zurück bleibt das Gefühl, einer Persönlichkeit begegnet zu sein, die mit Talent gestartet ist, aber mit Mut, Neugier und Bodenständigkeit wirklich groß geworden ist. Eine Begegnung, die inspiriert und motiviert – weit über den Musikbereich hinaus.

Ein Gespräch, das für uns alle inspirierend war. Wir danken Mousse T. herzlich für seine Zeit.