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DIGITAL- UND MEDIENMANAGEMENT

Zuhörer garantiert: Podcasts als Werbeträger

von BETTINA SCHARY am 10.03.2016

Pünktlich zum Mega-Event OMR16 haben auch die Online Marketing Rockstars den Podcast als Marketingtool für sich entdeckt. Aber ist das wirklich so lukrativ und lässt sich damit auch Geld verdienen? Dieser und weiteren Fragen wurde während des ersten Diskussionspanels auf dem OMR16 nachgegangen.


Podcast Panel – Im Ohr der perfekten Zielgruppe?


Die drei geladenen Gäste waren Podcast-Urgestein Toby Baier (Einschlafen Podcast, seit 2007), Mikkel Robrahn, Chefredakteur und Abgesandter vom PietCast (ein Podcast von Youtuber und Let’s-Player PietSmiet) und Nicolas Semak, Cofounder des ersten deutschsprachigen Podcast-Netzwerks Viertausendhertz. Das Gespräch führte Martin Gardt.


Wer zumindest gelegentlich Podcasts hört, dem dürfte der Name Toby Baier eventuell schon begegnet sein. Immerhin ist sein „Einschlafen“-Podcast einer der meistgehörten Podcasts überhaupt und bekleidet einen Dauerplatz in der Top Ten der iTunes-Charts. Allerdings ist es noch immer schwierig, gerade die Menschen zu erreichen, die noch nie etwas mit Podcasts zu tun hatten. Meistens sind Funktionsweise und technische Verständlichkeit die Einstiegshürden. Der Lösungsansatz von Toby Baier ist eine leicht bedienbare App fürs Smartphone. Auch bei iTunes und Spotify sind Podcasts zu finden.


Eine Chart-Platzierung im iTunes-Store ist übrigens wenig aussagekräftig und für einen potenziellen Investor kein verlässliches Messinstrument: Hier wird nur die Zahl der abgeschlossenen Abonnements gemessen; diese schießt am Anfang meist nach oben, sackt danach jedoch ab. Zuverlässiger sind CDNs (Content Delivery Networks) wie Podseed, welche die Zahl der Streams und Downloads messen. Allerdings wissen Produzent und Kunde dann immer noch nicht, ob und bis wohin der Podcast vom Nutzer angehört wurde.


Podcasts sind jedoch ein wesentlich persönlicheres Medium als etwa herkömmliche Radiosendungen. Toby Baier beschreibt es mit den Worten seiner 14-jährigen Tochter: „Wenn ich im Radio zu jemandem spreche, weiß ich nicht, ob derjenige mir zuhört oder nicht. Beim Podcast weiß ich dagegen genau, dass man mir zuhört.“
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von links: Moderator Martin Gardt, Mikkel Robrahn, Nicolas Semak, Toby Baier

Emotionale Bindung und die hohe Aufmerksamkeit der Hörer machen Podcasts für Werbende attraktiv. In den USA ist es üblich, dass Podcaster die Reklame selbst einsprechen, wobei Content und Werbung deutlich voneinander getrennt werden. In Deutschland steht man Native Advertisement liberaler gegenüber – noch ein Vorteil. Nicolas Semak von Viertausendhertz fasst zusammen: „Im Marketingbereich wurde sich noch nicht wirklich mit Podcasts auseinandergesetzt. Dabei sind die für alle Unternehmen interessant, denn sie gelangen über eine günstige Werbefläche an eine normalerweise schwer erreichbare Zielgruppe. Denn die Werbung ist nicht skip-bar – es besteht sogar die Möglichkeit, eine Geschichte daraus zu machen.“ Auf diese Weise werden (zumindest in den USA) TKPs von – aufgemerkt – bis zu 100 Dollar erreicht. Ob solche Werte auch in Deutschland möglich sind?


Eine weitere Alternative zur Monetarisierung ist der Einsatz von Podcasts als Kommunikationstool für Unternehmen. Diese Maßnahme könnte bald effektiver sein als konventionelle Werbung, da sie mehr Nähe zwischen Privatperson und Unternehmen oder Marke schafft.


„Ich mache es für das Feedback und nicht wegen des Geldes.“


Aber nicht alle Podcast-Macher sind auf das große Geld aus. Der Einschlafen-Podcast verzichtet bewusst auf Werbeunterbrechungen, sondern setzt stattdessen auf Affiliate-Links auf der Website: Die Hörer danken es Toby Baier mit positivem Feedback und ordentlich Frequentierung. Das Prinzip des Social Payments, bei dem etwa immer mal wieder ein Euro im Flattr-Spendentopf landet, kann natürlich nicht als Geschäftsgrundlage dienen. „Aber“, sagt Toby, „es ist gut, dass es das gibt.“


Immerhin können sich die Hörer auf diese Weise freiwillig für einen ziemlich aufwendigen Service bedanken: Je nach Format fließen mehrere Stunden oder sogar Wochen in eine einzelne Podcast-Folge. Nicolas Semak legt Wert auf ausführliche Recherche und sorgfältige, vielseitige Produktionen: Für eine 30-minütige Episode fallen da gut und gerne vier Wochen Arbeit an. Hingegen dauert eine vierstündige (!) Gesprächsfolge der Jungs vom PietCast fast genauso lange wie ihre Aufnahme: Trenner dranbasteln, ein paar Huster rausschneiden – fertig.


Die Einstiegsschwelle für Podcasts ist also extrem gering. Kein Wunder, dass die Szene in Deutschland schon recht aktiv ist: Neben unzähligen Themen-Podcasts, Produktionen von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ebenfalls in den Top5 der iTunes-Charts: der ARD Radio Tatort), Ratgebern und populären Shows (etwa Jürgen Domian oder Olli Schulz und Jan Böhmermann mit Sanft und Sorgfältig) gibt es unendlich viele Podcasts von Privatpersonen, die man sich direkt ins Ohr holen kann – immer noch völlig kostenlos.

Und wem der Einschlafen Podcast zu lame ist, kann sich ja zum Beispiel mal den Final Level Podcast von Ice T reinziehen.