HMS - BLOG

Glaubenssache

von BETTINA SCHARY am 28.06.2015

Lieber Gott, hier spricht Betti.

Lange nichts mehr voneinander gehört. Ich weiß, ich rufe zu selten an. Die Wahrheit ist: Es kommt mir nie in den Sinn. Immer nur, wenn gerade Krise ist. Oder wenn eine Prüfung ansteht. Dann komme ich angelaufen.

Aber so grundsätzlich? Entschuldige, aber im Alltag bist Du meistens einfach nicht vorgesehen. Im Lifestyle, der Politik, den Medien... wobei, in letzteren schon: Wenn es um den Papst geht. Oder den Islam.

Gott, ich hätte mal eine Frage: Warum ist die Medienwelt so wahnsinnig unentspannt, wenn es um die Religion einer Person geht?

Zum Beispiel die Moderatorin und Journalistin Kristiane Backer. Sie hat uns an der HMS besucht und von ihrer beruflichen und spirituellen Karriere erzählt.
IMG 2237
Sie ist Journalistin geworden, weil sie schon immer gerne Geschichten erzählt hat und die Wahrheit ans Licht bringen wollte. Nach einem Volontariat bei Radio Hamburg wurde sie die erste deutsche MTV-Moderatorin in London. Damals hat MTV sich zum Großteil durch seine internationalen Moderatoren aus Holland, Dänemark oder Deutschland in Europa vermarktet. Deutschland war auch einer der wichtigsten Märkte für den Musiksender. Die ersten Monate waren ein einziges „Ins-kalte-Wasser-Springen“ für Kristiane Backer. Sie moderierte erst vor hundert, dann vor tausenden Menschen. Live. Jeden Tag. Sie plauderte mit George Michael, Duran Duran, den ganz Großen eben. Sie lebte den Job, er verschmolz mit ihrem Privatleben.

Jörg Hoppe, der Chef von MME, wollte eine deutsche Musiksendung aufziehen: Bravo TV. Er fragte Kristiane Backer, ob sie moderieren würde, und sie tat es. Normalerweise, erzählte sie, würden die VJ’s (Visual Jockeys) nach zwei Jahren ausgetauscht. Kristiane Backer blieb sieben Jahre VJ bei Bravo TV.

Bis sie 1995 zum Islam konvertierte.

Davor gab es viele Auszeichnungen für ihre Arbeit.

Dann, plötzlich, bekam sie negative Presse. Der Vertrag bei Bravo TV wurde nicht verlängert.

„Wenn man innerlich etwas bewegt, tut sich auch äußerlich etwas“, sagt Kristiane Backer. Das heiße ripple effect. Sie habe damals ihr Wertesystem geändert, viel gebetet, sich in Spiritualität geübt. Nach MTV und Bravo TV folgte die Moderation in einer Kultursendung. Aber viele der dort behandelten Themen kollidierten mit diesem neuen Wertesystem: etwa Berichte über die Kunstrichtung „Shock Art“ oder die Gewalt in Hollywoodfilmen. Kristiane Backer erkannte sehr schnell, dass es viel schwieriger ist, Sachen zu verkaufen, von denen man selbst gar nicht überzeugt ist: „Deswegen bin ich damals ja auch nicht in die Werbung gegangen.“ Hinter der Musik habe sie immer gestanden, sie habe dafür gelebt – aber mit 30 Jahren sei sie dem allmählich entwachsen. Deswegen schlug sie auch ein Jobangebot von Viva aus und folgte damit ihrem Gefühl und nicht der Karriere.

Wer würde in Deutschland schon eine Muslima als Moderatorin für eine Mercedes-Gala einstellen?“

Die Presse interessierte sich weiterhin für Kristiane Backers Glaubenswechsel. Ihre Agenten rieten zunächst davon ab, Interviews zu geben: Zu groß war die Angst vor den Karriereauswirkungen.

Kristiane Backer sagt, sie sei Opfer von Islamophobie geworden. Sie verbrachte viel Zeit mit lesen, studieren und traf spirituelle Mentoren. Schließlich entschloss sie sich dazu, an die Öffentlichkeit zu gehen und darüber zu sprechen: Über sich. Und über den Islam.

Sie wollte ihre eigene Geschichte erzählen und die Wahrheit ans Licht bringen. Wie sie es schon immer tun wollte als Journalistin. Also schrieb sie ein Buch darüber: „Von MTV nach Mekka“. Es erhielt nur positive Rezensionen.

Gott, stell Dir vor: Nur weil Kristiane Backer zum Islam konvertiert war, ging es in den Medien rund. Und ihre Karriere bekam erstmal einen Knick. Wäre sie Katholikin geworden – hätte es irgendjemanden interessiert?

Kristiane Backer war auf der Suche. Die Welt von MTV und Viva war ihr einmal durch Leib und Seele gegangen. Aber irgendwann war es vorbei, und dahinter kam nur noch Leere. Das füllte sie nicht aus. Deswegen wandte sie sich der Religion zu. Und fand zufällig im Islam genau das, was sie am meisten brauchte.

So stelle ich mir das vor. Allerdings ist der Islam in Deutschland und Europa ja nun ein kleines bisschen vorbelastet. Aber eigentlich hat Kristiane Backer alles richtig gemacht: Sie hat den Shitstorm über sich ergehen lassen und ist entspannt geblieben. Sie hat ihren weiteren Lebenslauf danach ausgerichtet, was sie nun ganz und gar ausfüllt: ihr Glaube. Aus der Minirock-Moderatorin ist eine Brückenbauerin geworden zwischen den kulturellen Gepflogenheiten und einer Religion, die eben nicht Mainstream ist. Sie steht ein für mehr Respekt; Toleranz bringt die Gesellschaft nicht weiter.

Religion ist kein Hobby. Es ist ein Lebensweg, sagt sie.

Bis zum nächsten Mal, lieber Gott.
Kristiane Backer 300x152