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FILM

3 Fragen an... Jana Forkel & Elsa van Damke

von ANNA LEAH BOLLN am 13.06.2025

Blog 3 Fragen an Elsa Jana

Elsa van Damke und Jana Forkel gewannen noch während ihrer Studienzeit an der HMS den „RTL+ Storytellers”-Wettbewerb für ihr Serienkonzept „Angemessen Angry”. Jetzt, drei Jahre später, laufen die fünf Folgen nicht nur bei RTL+, die beiden ehemaligen HMS Studentinnen haben mit diesem Debutprojekt auch zwei Grimme-Preise gewonnen.

In „Angemessen Angry” geht es um das Zimmermädchen Amelie, die nach einer Vergewaltigung Superkräfte entwickelt und fortan Sexualstraftäter jagt. Und das mit Humor, aber vorallem, wie es der Titel schon sagt, mit einer Menge Wut. Der Genre-Mix aus Superheldin-Geschichte und Dramedy ist nicht nur unkonventionell, sondern überzeugte auch die Grimme-Preis-Jury.Jana Forkel und Elsa van Damke erzählen uns in „Drei Fragen an…”, was ihre Serie besonders macht, wie sie als junge Filmemacherinnen die Branche erleben und was sie gerne als Studentinnen der HMS schon gewusst hätten.

Eure Hauptfigur ist eine Superheldin, alleine das kommt selten vor. Was habt ihr in eurer Serie anders gemacht, als ihr es bisher aus Serien und Filmen gewohnt wart und was für Frauengeschichten wünscht ihr euch noch für die Zukunft des deutschen Films?

Jana Forkel: Ich glaube, anstatt uns immer zu fragen, warum wir etwas Unkonventionelles tun, haben wir uns noch öfter die Frage gestellt, warum wir etwas Konventionelles nicht tun. Warum zeigen wir die Vergewaltigung nicht? Warum führen wir Stilmittel ein, die wir später nie wieder verwenden, wie z.B. die Quiz-Show in Folge 3? Warum lassen wir unsere Heldin bewusst nicht die Welt retten? Es ist definitiv wichtig, dramaturgische Regeln und Konventionen zu kennen und Regeln sind ja bekanntlich zum Brechen da, aber dafür muss man sie erstmal verstehen und erklären können, warum man sich nicht daran hält und nicht einfach aus Prinzip „anders“ sein wollen. Wir zeigen die Vergewaltigung nicht, weil sie retraumatisierend sein kann und wir sie einfach nicht sehen müssen, um die Szene und das Gewicht der Szene zu verstehen. Wir benutzen die Stilmittel, um den emotionalen Zustand der Hauptfigur zu veranschaulichen, aber da wir wenig Zeit haben und die Serie sehr fast-paced ist, verlassen wir einen Zustand genau so schnell, wie wir ihn eingeführt haben. Wir lassen Amelie nicht die Welt retten, weil wir zynisch - oder vielleicht realistisch - sind und wissen, dass sie die Welt alleine nicht retten wird. Deshalb muss sie sich erstmal um sich selbst kümmern und das große Ganze schließlich in der Verschwesterung mit anderen finden.

Elsa van Damke:
Das was Jana sagt! Und zum zweiten Teil: Wir haben im Casting zur Rolle Amelie gemerkt, wie groß der Hype ist, diese Rolle spielen zu dürfen. Unter den Frauen, die beim Casting waren, war so viel Liebe und Support, alle haben sich einfach nur gefreut, dass EINE von ihnen diese Rolle spielen darf, dass es diese Rolle überhaupt GEBEN WIRD. Wir wünschen uns deshalb: Mehr Geschichten, die Frauen und weibliche Perspektiven in den Mittelpunkt stellen. Das muss jetzt nicht zwangsläufig die Superheldin sein. Aber mit der Polizeikommissarin ist es eben auch nicht getan. Ich will Taxifahrerinnen und Boxerinnen sehen, kinderlose Frauen, Freundinnen, Schwestern, diverse Freundeskreise, mittelalte Frauen, alte Frauen, weibliche Lust und weibliches Begehren. Auf der anderen Seite: Was zum Teufel sind eigentlich „Frauengeschichten“? Auch „Angemessen Angry“ nennen viele Menschen eine „Frauenserie“. Aber das ist das Ding. Männergeschichten sind Mainstream. Eine Serie wie „Angemessen Angry“ ist eine Frauengeschichte. Dabei sind die, die die Serie schauen sollten: Männer. Unsere Lebensrealität, unsere Welt, unsere Gefühle und unsere Wünsche sind genauso Mainstream wie Batman und Spiderman.

Frauen sind in der Filmbranche noch immer unterrepräsentiert. Habt ihr auch Gegenwind im Herstellungsprozess bekommen? Mit welchen Herausforderungen seid ihr als junge Regisseurin/Autorin konfrontiert?

Jana Forkel: Wir wurden eher mit Angst konfrontiert, als mit direktem Gegenwind. Dass wir zu radikal sind, weil wir keine Täterinnen zeigen oder alle Täter weiß sind, das war zum Beispiel eine Sorge. Bloß nicht das Publikum vergraulen. Aber da frag ich mich: Warum sollten wir ein Publikum wollen, was nicht bereit ist, sich auf neue Ansichten einzulassen und nur zum Meckern kommt? Die Dinge, die wir erzählen wollen, sind eben nicht immer bequem anzusehen, aber wenn man etwas zum Abschalten gucken will, gibt es ja genug Auswahl. Warum sollen wir diese Lücke füllen und uns anpassen? Das kann doch jemand anderes machen. Mit solchen Gedanken hatten wir schon oft zu kämpfen.

Elsa van Damke:
Die Ängste und der Gegenwind kam vor allem von unseren männlichen Partnern oder von Menschen, die schon weitaus länger in der Branche arbeiten. Wenn man Jahrzehnte lang nach Schema F produziert und damit gut gefahren ist, hält man daran fest. Ich glaube, deshalb geht es der Branche auch so schlecht, wie es ihr geht und deshalb werden die Formate produziert und finanziert, die es eben so geschafft haben. Dass da ein Stoff wie unserer oder „Schwarze Früchte“ dabei ist, spricht für Allies und mutige Menschen in den Führungsetagen der teilweise sehr eingesessenen (mostly weißen und männlichen) Redaktionen, Sendern und Förderanstalten, die Teil eines gesellschaftlichen Wandels sein wollen. Wir müssen endlich Geschichten erzählen, die näher dran sind an unserer Welt, unserer Lebensrealität und eben nicht immer in dieselbe Schablone passen! Und dafür sollte man mehr Frauen, queere Personen und People of Colour in die Kreativteams (und irgendwann bitte auch in die Führungsetagen) holen!

Was würdet ihr eurem jüngeren Ich an der HMS sagen oder raten wollen?

Jana Forkel: Nicht die Geduld oder die Hoffnung verlieren - es dauert, aber es lohnt sich. Und ganz wichtig: Eine Absage heißt nicht, dass du schlecht warst, nur, dass andere eben besser gepasst haben.

Elsa van Damke:
Du musst lernen, wann etwas GUT GENUG ist. Du kannst nicht immer 100% geben, du kannst nicht alles selber machen und du brauchst genug Energie in deinem Körper, um zu funktionieren! Vertraue in andere, suche dir liebe Menschen, mit denen du gut arbeiten kannst und bitte: Vergiss nicht, auch mal zu leben! Du bist nicht deine Arbeit!

„Angemessen Angry” gibt es auf RTL+ zu sehen. Wenn ihr noch mehr über die Entstehung des Projekts lesen wollt, findet ihr hier ein weiteres Interview mit Elsa und Jana, kurz nachdem die Serie abgedreht war.