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FILM

3 Fragen an... Regiestudentin Caro Weller zum Dreh von Intimitätsszenen

von ANNA LEAH BOLLN am 28.10.2025

Film 3 Fragen an

Regiestudentin Caro Weller hat mit ihrem Kurzfilm „HOT F***ING TAKE“ eine besondere Herausforderung gemeistert: Acht von neun Szenen sind Intimitätsszenen, die einen höchst sensiblen Umgang und die Zusammenarbeit mit einer Intimitätskoordinatorin erforderten. Ihr Film erzählt die Geschichte von Tinka und Karim, deren Romanze sich zu einem Tanz um Scham und Bodyissues entwickelt – ein bewusster Gegenentwurf zu den oft unrealistischen Darstellungen im Kino.
Wie sie diesen intensiven Dreh gemeistert hat, erfahrt ihr jetzt in unseren Drei Fragen an ...

Was hast du zur Vorbereitung auf den Intimitätsdreh gemacht? Was hast du von der Intimitätskoordinatorin an die Hand bekommen?

Caro Weller: Ich habe mich erst mal viel mit dem Thema Sex und Intimität im Film auseinandergesetzt, habe mir viele Filme angeschaut und allgemein zum Thema recherchiert. Einer der wichtigsten Punkte war für mich die Auseinandersetzung mit dem male gaze. Denn durch die vielen männlichen Regisseure in der Filmgeschichte gibt es vor allem Sexszenen, die aus der männlichen Perspektive erzählt und inszeniert werden. Dazu gibt es einige Essays – das bekannteste ist von Laura Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema – und einen sehr wichtigen Dokumentarfilm von Nina Menkes: Brainwashed – Sexismus im Film. Es erklärt sich von selbst, dass ich den male gaze vermeiden wollte.

Eine weitere wichtige Frage, die ich mir gestellt habe: Warum zeige ich Sexszenen, und womit begründe ich Nacktheit und Intimität? Erst als ich für jede Sex- und Intimszene begründen konnte, warum sie für die Geschichte relevant ist, habe ich mich an ein Intimitätsskript gesetzt. In diesem Skript habe ich sehr detailliert meine Vision für jede intime Szene aufgelistet. Die Art der Küsse, die Durchsichtigkeit der Unterhose und die Körperstellen, die berührt werden, standen fest. Mit diesem Skript und meinem Regiestatement bin ich dann auf die Schauspieler:innen zugegangen, die natürlich schon das Drehbuch kannten. Die beiden haben darüber dann mit unserer Intimitätskoordinatorin Anne Schäfer gesprochen, und sie hat abgefragt, wie sie sich mit meinen Ideen und Visionen fühlen. Es gab eine Anpassung, und somit wusste ich, dass die beiden mit meinen Ideen einverstanden sind. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie sich zu irgendetwas verpflichten.

Ich glaube, was wirklich wichtig ist, ist, dass man von vornherein klar macht, was man sich vorstellt. Nichts abmildern, nichts runterspielen, nur weil es sich nach „zu viel“ anfühlt. Einfach offen und ehrlich sagen, was man möchte – und dann der anderen Person die Entscheidung überlassen, ob sie oder er dabei ist.

Ab dann geht es vor allem darum, die richtige Atmosphäre am Set zu schaffen, in der sich alle – sowohl vor als auch hinter der Kamera – wohlfühlen. Dafür war maßgeblich unsere Creative Producerin Clara Fricke verantwortlich, die sehr bewusst und mit Bedacht ein ausnahmslos tolles Team zusammengestellt hat. Während der ganzen Zeit wurden wir von Anne Schäfer unterstützt. Sie hat nicht nur die Vorgespräche mit den Schauspieler:innen geführt, sondern auch uns als Team sensibilisiert und uns mit einigen wichtigen Materialien versorgt, mit denen wir arbeiten konnten. Zum Beispiel: ein allgemeiner Leitfaden für Low-Budget-Filmprojekte mit Intimszenen, die Anleitung zum Grenzencheck*, den die Schauspieler:innen jeden Tag neu machen, ein Verhaltenskodex für Cast und Crew, Erste Hilfe bei Triggern und auch Informationen zum richtigen Umgang mit dem Material – beim Dreh, aber auch in der Postproduktion. Mit all diesen Dokumenten konnten wir das Team und unsere Awareness-Person Charlotte Neuwirth briefen. Charlotte stand in engem Austausch mit Anne und hat unsere Schauspieler:innen auf ganz tolle Weise am Set betreut.

*Ein Grenzencheck ist ein tagesform- und stimmungsabhängiges Abfragen der eigenen körperlichen Grenzen. Dabei berührt man sich selbst und testet, an welchen Körperstellen man berührt werden möchte – und an welchen nicht. Diese Berührungen werden anschließend von der Schauspielpartnerin oder dem Schauspielpartner nachvollzogen. So kennen beide ihre jeweiligen Grenzen und wissen genau, was tagesaktuell erlaubt ist und was nicht. Die Regie ist beim Grenzencheck nicht anwesend.

Wie seid ihr mit der Intimität des Films am Set umgegangen?

Caro Weller: Am Set selbst gab es, durch die vielen Briefings und Materialien von Anne Schäfer, einen tollen Leitfaden. Die meiste Zeit herrschte ein Closed Set. Das bedeutet, dass wirklich nur die nötigsten Gewerke – also Regie, Kamera, Ton und die Awareness-Person – am Set waren. Erst wenn Charlotte das Set freigegeben hatte, durfte das restliche Team es betreten. Es gab auch keine Übertragungen auf Monitore, die nicht zwingend notwendig waren und grundsätzlich herrschte eine sehr respektvolle und angenehme Atmosphäre.
Auch wenn es vielleicht nicht so klingt: Wir hatten unglaublich viel Spaß und haben extrem viel gelacht. Denn was ebenfalls wichtig ist: die Situation nicht größer zu machen, als sie ist und sie auch nicht prinzipiell als schwierig oder problematisch zu framen. Und dadurch, dass wir Charlotte am Set hatten, gab es eine Person, die sich großartig um unseren Cast gekümmert hat. So war die Aufteilung klar, und nicht alle mussten ständig die beiden Hauptdarsteller:innen fragen, ob sie sich wohlfühlen oder ob alles in Ordnung ist. Denn auch das kann auf Dauer anstrengend werden – schließlich wollen die beiden ja auch arbeiten und nicht ständig auf die besondere Situation hingewiesen werden.
Und so hat die Zusammenarbeit am Set einfach richtig schön geklappt.

Was hast du aus dieser Erfahrung mitgenommen?

Caro Weller: Ich bin super dankbar, dass ich das Drehbuch meiner Kommilitonin Barbara Odendahl inszenieren durfte, weil ich um eine wunderschöne Erfahrung reicher geworden bin. Das Wichtigste, was ich mitnehme, sind die vielen Gespräche im Vorhinein und ein intensives Kennenlernen. Wir haben immer wieder persönliche Erfahrungen rund um das Thema Sex und Intimität ausgetauscht und waren uns bewusst, warum wir diesen Film machen möchten und was der Kern der Geschichte ist. Dieses Kennenlernen und die gemeinsame Vorbereitung der Abläufe und Aufgaben waren für die Drehtage unglaublich hilfreich. Dadurch konnten wir uns fallen lassen, gemeinsam etwas Tolles erarbeiten und unserer Kreativität, unseren Gedanken und Impulsen freien Lauf lassen. An diesem Punkt haben wir uns alle gegenseitig vertraut – eben weil wir uns im Vorfeld so intensiv ausgetauscht haben.
Und: Es macht wirklich Spaß. Sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, die eventuell schambehaftet sind, hat eine kathartische Wirkung. Ich habe mit meinem Regieprofessor über Oralsex gesprochen, mit unserem Kameramann Felix Janssen über One-Night-Stands und mit unserem Sound Designer übers richtige Stöhnen – und irgendwie wurde all das ganz schnell etwas ganz Normales. Dabei bin ich auch über mich hinausgewachsen, und ich glaube – und hoffe – vielen anderen ging es genauso.