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MEDIA INNOVATION PROGRAM

DJF: Fünf Fragen an... Rainer Blank

Rainer Blank

Rainer Blank arbeitet als freier Autor, Regisseur und Videojournalist in Hamburg. Er entwickelt und realisiert Dokus und Reportagen, ist Videojournalist und vermittelt die Vorteile von Mobile Reporting. Nach dem Studium der Sozialwissenschaften (Soziologie, Psychologie, Politologie) in Hamburg, Lyon und Barcelona begann er ein Volontariat beim NDR. Dort arbeitete er mehrere Jahre als TV-Autor für das Medienmagazin „ZAPP“ und das Satiremagazin „extra3“ - auch als Redakteur. Anschließend gründete er mit zwei Kollegen die Produktionsfirma „freeeye.tv“, die Formate wie „Herr Eppert sucht...“ (zdf_neo) oder „Mit 80.000 Fragen um die Welt“ (NDR / WDR, für den Grimme-Preis nominiert) entwickelte und produzierte. Als Autor hat er sich auf Langformate wie „MARE TV“ spezialisiert. Als VJ realisiert er u.a. Videoblogs.Rainer Blank beschäftigt sich mit neuen Erzählformen und Formaten für Bewegtbilder – gerne auf ungewöhnliche Art und abseits der Norm.

Wie wichtig ist Mobile Reporting, auch Smartphone-Journalismus genannt, mittlerweile?


Mobile Reporting genießt inzwischen einen hohen Stellenwert. Das merken wir auch an der steigenden Nachfrage nach Workshops. Denn mit dem Smartphone kann man schnell, günstig und inzwischen auch qualitativ sehr hochwertig produzieren. Vor ein paar Jahren zweifelten noch viele, ob die Qualität von Smartphones für z.B. hochwertige Videos ausreichen würde. Inzwischen sind aber mit dem iPhone Highclass-Musikvideos gedreht worden (etwa „Stupid Love“ von Lady Gaga ) und komplette Kinofilme (wie „Unsane“ von Steven Soderbergh). Aktuelle Smartphones drehen heute in 4K, haben unterschiedliche Objektive und eine deutlich verbesserte Lichtempfindlichkeit – dazu gibt es jede Menge Apps und Zubehör. Es ist aber eben nicht nur ein Handy mit einer Videokamera, sondern eben auch für die Produktion von Fotos, Audios, mobilen Websites und Augmented-Reality-Content anwendbar.

Für welche Themen und Bereiche bietet sich Mobile Reporting an?


Mobile Reporting hat überall dort seine Stärken, wo ich crossmedial arbeite und schnell zu einem Ergebnis kommen möchte: etwa im Social-Media-Bereich. Denn das Smartphone ist sehr vielseitig einsetzbar: Ich kann damit Videos drehen und schneiden, live streamen, kann Fotos machen und bearbeiten, Texte und Grafiken erstellen, Audiotakes aufnehmen und Podcasts produzieren. Das Smartphone gilt als das „Schweizer Offiziersmesser der Medienproduktion“. Ich finde das ganz zutreffend.
Im Videobereich kann ein Smartphone außerdem dabei helfen, unauffällig zu drehen und schnell Vertrauen zu den Protagonisten herzustellen. Denn heute dreht oder fotografiert ja ohnehin jeder mit dem Smartphone, so dass es zu unserem Lebensalltag gehört – ganz anders als ein Kamerateam von drei Personen mit Schulterkamera und Tonangel.

Welche Ansprüche ergeben sich damit an die Journalist_innen?


Ich denke, zunächst sollten Journalist_innen vor allem offen und neugierig sein, um mit dem Smartphone Content zu produzieren. Das ist zum Glück nicht ganz so schwierig, weil wir das Handy ja ohnehin den ganzen Tag über nutzen. Aber eben oft auf anderem Wege. Deshalb sind viele Journalist_innen erst einmal überrascht, was dieses kleine Gerät alles kann. Man muss ein bisschen Zeit investieren, um sich mit den unterschiedlichen Apps vertraut zu machen. Das ist zum Glück aber auch keine Raketentechnik. Um hochwertigen Content zu produzieren, braucht man neben Übung auch das nötige Handwerkszeug und Basiswissen, was zum Beispiel die Bildgestaltung bei Fotos betrifft oder Grundregeln für den Dreh und Schnitt von Videos.

Die Berichterstattung wird mobiler, schneller. Welche Herausforderungen bringt dies mit sich? Gerade in Bezug auf Fact-Checking und journalistische Sorgfalt?


Es wird künftig immer schwieriger zu beurteilen, ob Content real oder fake ist. Heutzutage manipuliert ja ohnehin schon jeder seine Insta-Fotos mit zahllosen Filtern; verjüngt sich, entfernt Falten, zaubert ein Glitzern in die Augen und ein Lächeln ins Gesicht. Inzwischen gibt es Anwendungen, mit denen man Gesichter animieren und sie bestimmte Sätze sagen lassen kann – täuschend echt. Es gilt also, wachsam zu sein. Und auf Hinweise von Manipulationen zu achten. Und natürlich gilt das gleiche für „Mobile First“, und die schnelle Veröffentlichung von Content: Habe ich beim Fotografieren Rechte verletzt? Habe ich Quellen und Credits angegeben? Die Versuchung, schnell zu produzieren ist groß und durch das Smartphone erst recht gegeben. Umso wichtiger ist es, journalistisch sauber zu arbeiten.

Wird Mobile Reporting professionelle Kamerateams ersetzen? Was glaubst du: Wie wird die Bewegtbild-Berichterstattung in Zukunft aussehen?


Ich glaube nicht, dass Mobile Reporting professionelle Kamerateams komplett ersetzen wird. Das dachten einige ja schon bei den Videojournalist_innen Anfang der 2000er, als sie anfingen, mit DV-Camcordern zu drehen – und heute werden nach wie vor Kamerateams eingesetzt. Aber das Smartphone wird die Medienproduktion weiter verändern: Denn viele Redaktionen merken, dass es oft weder finanziell noch organisatorisch sinnvoll ist, für z.B. einen kurzen Social-Media-Beitrag ein Kamerateam loszuschicken. Oft reicht es, Mitarbeiter_innen, die vielleicht ohnehin vor Ort sind, mit dem Smartphone drehen zu lassen. Es wird aber weiterhin komplexe Drehs im Hinblick auf Look, Licht und Ton geben, auf die man lieber ein Kamerateam schickt, um Premium-Content zu erhalten. Es kommt also immer auf den Einsatzbereich an. Allerdings gibt es das Bonmot: „Welche ist die beste Kamera...? Die, die ich dabei habe!“ Und das ist nun mal meist die Kamera meines Smartphones – und wenn ich damit nicht nur drehen, sondern auch gleich schneiden, meinen Beitrag vertonen und direkt veröffentlichen kann – dann sind das doch ziemlich gute Gründe, um mit dem Smartphone zu produzieren.