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Fünf Fragen an... Susanne Höb

Susanne Hoeb 3 Copyright Maria Menzel und Into VR Video 1

Susanne Höb (geb. Dickel) ist Geschäftsführerin von Into VR & Video. Seit Jahren beschäftigt sie sich mit dem Thema VR: 2015 produzierte sie für Axel Springers "Welt" das erste journalistische 360°-Video im deutschsprachigen Raum. Ein Jahr später gründete sie mit Martin Heller die Produktionsfirma Into VR & Video. Seitdem hat sie viel Erfahrungen gesammelt, beispielsweise bei Drehs auf dem Balkan oder in Äthiopien. Das Wissen von diesen Produktionen gibt sie als Trainerin und Sprecherin weiter, beispielsweise auf dem News Impact Summit oder der re:publica. Für ihre Arbeit wurde sie vom Medium Magazin unter die Top 30 bis 30 Medienmacher gewählt sowie für den Deutschen Webvideopreis und den Photokina-Award nominiert. Susanne Höb hat 2013 die Deutsche Journalistenschule absolviert, anschließend hat sie als Videoredakteurin für Welt und ze.tt gearbeitet.


Wie wichtig ist die VR-Brille beim immersiven Storytellng? Welche anderen Möglichkeiten der Nutzung gibt es bereits?
Aus Sicht der VR-Produzenten ist natürlich die VR-Brille das beste Medium. Denn damit kann man wirklich in den VR-Film oder die VR-Experience eintauchen. Man hat keine störenden Geräusche oder Eindrücke von außen, sondern befindet sich komplett in der virtuellen Welt, steht den Menschen direkt gegenüber und hat das Gefühl, mit ihnen reden zu können. Aber gleichzeitig sind VR-Brillen nicht so verbreitet, dass jeder sie zur Verfügung hat. Alternativ kann man die meisten Inhalte aber auch über Desktop oder Smartphone nutzen. Da ist der Bildschirm sozusagen das Fenster in die virtuelle Welt. Man ist nicht so sehr Teil davon, sondern schaut nur in die Welt hinein. Aber dafür erreicht man über Smartphone oder PC einfach mehr Leute als über die VR-Brille.

Wie lassen sich die gängigen immersiven Medien - 360-Grad-, VR- und AR-Videos – voneinander unterscheiden?

Es gibt sehr, sehr viele Aspekte, nach denen man theoretisch ganz penibel unterscheiden könnte, z. B.: 180°, 360°, 3D oder nicht 3D, VR, 3 DOF, interaktiv, Photogrammetry oder reine CGI usw. Für die meisten Menschen ist so eine genaue Klassifikation aber eher nicht so interessant. Aus meiner Sicht kann man es gut aufteilen in VR-Filme (das wäre alles, was mehr oder weniger linear einer Geschichte folgt, egal ob es nun in 180° oder 360°, 3D oder nicht gedreht wurde). Darunter würden für mich auch solche interaktiven Videos fallen, wo die Interaktivität vor allem darin besteht, dass man selbst auswählen kann, welche Szene man sich als nächstes anschauen kann oder sich einzelne Objekte näher anschauen kann (wie z. B. bei dieser Geschichte, wo wir für den rbb im Museum Barberini in der Ausstellung "Monet - Orte" waren: https://www.rbb-online.de/derrbbmachts/museum/360-grad-museumstouren/museum-barberini.html). Die zweite große Kategorie sind die VR-Experiences, in denen der Grad an Interaktivität deutlich größer ist, wo man sich ggf. auch frei bewegen kann. Ein Beispiel dafür ist das Projekt "Hau auf die Kohle" des WDR, in dem man wie ein Bergarbeiter Kohle abbauen kann. Wobei der Übergang zwischen diesen beiden ersten Kategorien ein Stück weit fließend sein kann. AR ist für mich ein anderes Feld, weil hier keine virtuelle Umgebung geschaffen wird, sondern die Realität mit zusätzlichen Informationen überlagert oder angereichert wird. Ich tauche also nicht in eine andere Welt hinein, sondern hole mir virtuelle Inhalte in meine reale Umgebung.

Du kommst aus dem Journalismus: Wie kann die Branche von dieser Art des Storytellings profitieren?

Als Journalisten wissen wir, was eine gute Geschichte ausmacht, die viele Menschen interessiert oder bewegt. Wir sind gut darin, den Kern einer Erzählung zu erfassen und herauszustellen, die Fallhöhe darzustellen, die unterschiedlichen Seiten eines Konflikts herauszustellen. Wir wissen, was gute Protagonisten ausmacht. All das ist auf jeden Fall hilfreich, um gute Inhalte zu erstellen. Und das wichtigste ist nie das Medium selbst, sondern der Inhalt. Niemand liest eine Zeitung nur wegen des Papiers, auf dem sie gedruckt ist, man nutzt das Handy nicht, weil es ein cooles Gadget ist, sondern die Menschen interessieren sich für die Inhalte, die sie damit konsumieren. Deshalb reichte es nur in der Anfangsphase, als das Medium noch neu war, den Leuten einfach nur eine VR-Brille aufzusetzen, um sie zu begeistern. Jetzt haben das viele ausprobiert, man kennt es schon - es geht also um die Geschichten, die ich damit erfahren kann.

Wie werden diese Medien derzeit im Journalismus eingesetzt? Alles noch Spielerei oder gibt es bereits etablierte Formate?

Es wird immer noch viel ausprobiert, Arte zum Beispiel macht tolle, kreative Projekte wie das hier (https://www.arte.tv/sites/webproductions/de/beethoven-360), bei dem man in einem Orchester steht, das Beethovens Fünfte spielt, und die Töne sind nicht nur zu hören, sondern sie werden auch noch visualisiert. Es gibt aber Themen, die häufiger umgesetzt werden: Reisen und historische Formate. Das passt natürlich sehr gut zu dem Medium, weil es einem ermöglicht, Situationen zu erleben, die man normalerweise nicht erleben kann - also beispielsweise schwer zugängliche oder weit entfernte Orte oder eben andere Zeiten.

Wie wird sich immersives Storytelling zukünftig auf die Branche und ihr Publikum auswirken? Wird die VR-Brille zum Alltagsgegenstand?

Wie schon gesagt: Aus VR-Produzenten-Sicht wäre das natürlich toll. Aber so oder so wird es immer spannende, tolle Projekte in diesem Bereich geben. Ich finde es immer am besten, wenn man für einen Inhalt, den man vermitteln möchte, jeweils die geeignete Form sucht, statt sie in die zu pressen, die man gerade braucht. Eine Geschichte kann vielleicht am besten als Podcast erzählt werden, dann sollte man das auch machen. Daher finde ich es gut, wenn sich VR als eine gleichberechtigte Darstellungsweise etabliert. Ich glaube, dass insbesondere das interaktive Storytelling, dass den Nutzern mehr Freiheiten lässt, interessant ist. Ein Stück weit kennt man das bereits von datenjournalistischen Projekten, die ja auch interaktiv sind und zeigen, dass ein gut gemachtes Projekt Nutzer dazu animiert, sich tiefer mit einem Thema zu beschäftigen.