Was haben Kultur und Digitalisierung miteinander zu tun? Auf dem diesjährigen Forum d’Avignon Ruhr in Essen finden unsere Studententinnen Marlena Busch und Svenja Lau eine überraschende Antwort auf diese Frage.
Text von Marlena Busch & Svenja Lau
„Ich habe nichts zu verbergen.“ Wer kennt diesen Satz nicht oder hat ihn nicht sogar selbst einmal ausgesprochen, wenn es um die eigenen persönlichen Daten geht - wenn es darum geht, dass große Konzerne und Geheimdienste unsere Kommunikation überwachen, Daten sammeln, speichern und für ihre Zwecke verwenden?
Nina George, Bestseller-Autorin und Speakerin beim Forum d’Avignon Ruhr 2015, hat auf diese Aussage einen Satz Edward Snowdens parat: „Zu argumentieren, man habe nichts zu verbergen, ist so, als sei einem Meinungsfreiheit egal, weil man keine Meinung habe.“Doch was haben Themen wie Datenschutz, Überwachung und Macht der Daten mit Kultur zu tun? Schließlich ist das ja das Thema des diesjährigen Forum d’Avignon Ruhr: Kultur ist Digital - Digital ist Kultur. 240 TeilnehmerInnen aus 19 Ländern haben sich auf den Weg zu der internationalen Kulturkonferenz nach Essen gemacht. Hier sprechen sie in Vorträgen und Podiumsdiskussionen über die Effekte des digitalen Wandels auf die Kultur sowie über Impulse aus der Kultur und Kreativwirtschaft für die digitale Gesellschaft und Wirtschaft.
Wie Kultur digitale Überwachung erfahrbar macht
Getreu dem Motto „Kultur ist Digital - Digital ist Kultur“ finden wir uns in einem Varieté Theater wieder. Wenn nicht hier, wo dann über die verschiedenen Facetten der Kultur diskutieren? Die Theaterregisseurin am Schauspielhaus Köln, Angela Richter, kann sich hier wie „Zuhause“ fühlen. Als Speakerin auf dem Forum zeigt sie uns, welchen Einfluss die Bereiche Kultur und digitale Überwachung aufeinander haben können.Die Regisseurin denkt das Theater neu. Für ihre Stücke nimmt sie sich viel Zeit, recherchiert lange. Statt sich die Handlung auszudenken, führt sie Interviews mit den wahren Akteuren. So sprach sie für die Aufführung „Supernerds“ mit NSA-Analysten und den bekanntesten Whistleblowern unserer Zeit. Richter fuhr in die ecuadorianische Botschaft in London zu Julian Assange und besuchte Edward Snowden in Moskau. Aus diesen Interviews entstand der Text des Stücks. „Die Stärke von uns Kreativen, liegt vielleicht darin, dass wir über die künstlerischen Mittel verfügen, die Bedrohung durch die Überwachung erlebbar zu machen“, so die 45-Jährige.
Das hat sie geschafft. In „Supernerds" hackte ihr Team die Telefone der Zuschauer. Ins Schwitzen kamen zum Beispiel all jene, die wegen eines negativen Eintrags bei der Schufa keinen Kredit erhalten würden. Denn mit Ankündigung klingelten plötzlich ihre Handys im Saal. Richter ist es gelungen, diese Bedrohung mit ihrem Kulturprodukt konkret und sinnlich erfahrbar zu machen.
Jetzt verstehen wir, was Kultur und Digitalisierung miteinander zu tun haben und warum es so wichtig ist, darüber zu sprechen. Es geht eben nicht nur um die Folgen von Überwachung und Datenklau, sondern auch darum, wie uns gerade Kultur dabei helfen kann, über unsere eigene Privatsphäre nachzudenken und sie ernster zu nehmen. Denn genau wie ein Theaterstück oder ein Buch, sind auch auch Daten heutzutage eine Ware, die Unternehmen erwerben können und für die wir mit dem hohen Gut unserer Privatsphäre bezahlen.