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MEDIA INNOVATION PROGRAM

„Die Idee, Amal auf Ukrainisch anzubieten, kam aus unserem Team heraus“

Cornelia Gerlach

JIP-Fellow Cornelia Gerlach hat mit ihrer Schwester Julia und geflüchteten Journalist*innen aus Syrien und Afghanistan 2015 Amal, Berlin! gegründet. Mittlerweile ist das Nachrichtenportal für Lokaljournalismus eine etablierte Plattform für Menschen, die neu nach Deutschland kommen. Bei Amal, Berlin! und Amal, Hamburg! berichten Journalist*innen mit Fluchtgeschichte auf Syrisch und Dari/Farsi über alles, was in den Städten wichtig ist. Nun möchten die Schwestern und die Redaktionen wieder helfen – und zwar den ukrainischen Geflüchteten, die wegen des russischen Angriffskriegs auf ihr Land nach Deutschland kommen. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits und erste finanzielle Unterstützung ist zugesagt. Wir haben mit Cornelia Gerlach über Amal und das neue Projekt gesprochen.

Conny, du hast beim JIP dein Projekt „Amal, Berlin!“ weiterentwickelt. Für alle, die es noch nicht kennen: Wer steckt hinter Amal?

Cornelia Gerlach: Amal ist eine lokale Nachrichtenplattform für die Stadt – also für Berlin und für Hamburg. Diese zwei Redaktionen gibt es derzeit. Journalist*innen aus unterschiedlichen Nationen wie Afghanistan, Syrien oder dem Iran berichten auf Syrisch und auf Dari/Farsi, was gerade in der Stadt los ist. Es geht bei Amal nicht um Nachrichten aus den Heimatländern, sondern um Lokaljournalismus hier vor Ort – aber eben auf der Muttersprache vieler Geflüchteter. Manchmal sind das Polizeimeldungen, manchmal große Reportagen über Projekte oder auch die einfache Nachricht zur ausgefallenen S-Bahn. Denn das macht Amal aus. Wir haben uns 2016 gegründet, damit Geflüchtete in Deutschland besser und einfacher ankommen. Denn nichts ist blöder als die Situation, dass alle wissen, die Erzieher*innen streiken heute und die Kita ist zu, nur du hast nichts davon gehört, weil du die deutschen Nachrichten nicht immer verstehst.

Wie seid ihr damals auf die Idee gekommen, Amal zu gründen?


Cornelia: Meine Schwester Julia hat viele Jahre als Korrespondentin in Kairo gearbeitet. 2015 kam sie zurück nach Deutschland – gemeinsam mit vielen Geflüchteten aus Syrien. Wir saßen an meinem Küchentisch und fühlten uns zunächst hilflos. Wir haben uns gefragt, wie wir diesen Menschen helfen können. Und wie können wir es schaffen, dass die gut ausgebildeten Journalist*innen hier in Deutschland arbeiten? Da ich in der journalistischen Weiterbildung tätig war, haben wir dann Workshops angeboten – und aus diesen heraus ist die Idee von Amal entstanden – lokale Nachrichten für Menschen, die neu nach Deutschland kommen. Mittlerweile ist Amal etabliert, wir haben vielen Menschen in ihrem Alltag durch unsere Informationen geholfen und wir waren ein Türöffner für Medienschaffende, in Deutschland Fuß zu fassen. Unterstützt wurden und werden wir auch von deutschen Medien wie etwa dem Hamburger Abendblatt, dem Berliner Tagesspiegel oder Chrismon, die immer wieder Artikel abgedruckt haben.

Jetzt haben wir eine ähnliche Situation wie 2015. Wieder müssen Menschen vor Krieg flüchten – dieses Mal aus der Ukraine. Was plant ihr dazu?


Cornelia: Die Idee, Amal auf Ukrainisch anzubieten, kam aus unserem Team heraus. Unsere syrischen und afghanischen Kolleg*innen haben direkt gesagt: Da müssen wir handeln! Im April haben wir dann angefangen, bei Institutionen um Unterstützung anzufragen. Denn wir haben ein erprobtes Modell, die Strukturen sind da, wir können das relativ schnell auf- und umsetzen. Mit unserer Erfahrung aus den vergangenen sechs Jahren wissen wir genau, was wir wie und wann machen müssen.

Was sind die nächsten Schritte? Gibt es schon finanzielle Unterstützung?


Cornelia: Ja, es gibt schon eine feste Zusage der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), den Aufbau von Amal, Ukraine zu fördern. Das bedeutet, wir haben auch finanziell das erste grüne Licht, zwei weitere große Anträge sind gestellt. Es gibt auch da erste gute Signale. Wir sind zuversichtlich – und suchen noch Unterstützer. Wenn die Finanzierung steht, geht die Arbeit direkt weiter. Dann müssen wir unsere Infrastruktur entsprechend erweitern – das System ist ja bereits da. Erste Kontakte zu ukrainischen Journalist*innen gibt es ebenfalls, die mitmachen wollen. Das geht tatsächlich alles schneller als vor sechs Jahren – das liegt natürlich auch an der HMS und dem JIP.

Wie hat dir das JIP bei diesem Projekt aktuell geholfen?


Cornelia: Beim JIP habe ich gelernt, direkt viel mehr und öfter mit Menschen über das Projekt zu sprechen, mich auszutauschen. Dass man ein Projekt oder Produkt lieber in kleinen Schritten vorantreibt und nicht versucht, erst alles perfekt aufzusetzen und dann damit rauszugehen. Das war ein Gamechanger. Und dann waren es viele kleine Bausteine, die mir jetzt geholfen haben – das Pitchtraining war super und wichtig, auch das Erstellen von passenden Präsentationen oder einer sinnvollen Roadmap. Wir haben das vor sechs Jahren alles auch gemacht, aber die Weitentwicklung ist deutlich zu sehen. Ich bin sehr dankbar für die Weiterbildung im JIP – mir hilft sie jeden Tag und vor allem derzeit für das neue Projekt.